Anforderungen an das Halten von Schweinen
Initiative Tierwohl, Tierschutzlabel, staatliches Tierwohlkennzeichen, Aktionsplan Kupierverzicht – immer mehr Kriterien und
Anforderungen stellen die Landwirte bei der Haltung ihrer Schweine vor neue Herausforderungen. Durch neue Vermarktungswege bieten diese
jedoch auch Chancen. Im Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes wird beispielsweise bereits in der Einstiegsstufe ein erhöhtes
Platzangebot und eine Strukturierung der Bucht in die verschiedenen Funktionsbereiche (Liegen, Koten, Fressen/Wasseraufnahme,
Aktivität) gefordert.
Im „Aktionsplan zur Verbesserung der Kontrollen zur Verhütung von Schwanzbeißen und zur Reduzierung des Schwanzkupieren bei
Schweinen“ werden für den Parameter Struktur und Sauberkeit der Bucht in der nationalen Umsetzung der Richtlinien 2008/120/EG
und 98/58EG folgende Anforderungen an das Halten von Schweinen ausgewiesen:
- gleichzeitiges Liegen, Aufstehen und sich Hinlegen bei natürlicher Körperhaltung
- nicht mehr als unvermeidbar mit Harn und Kot in Berührung kommen
- Vorrichtung zur Verminderung der Wärmebelastung soll vorhanden sein
- Bodengestaltung rutschfest und trittsicher (Spaltenweiten, Auftrittsbreiten gemäß TierSchNutztV)
- Liegebereich so gestaltet, dass zu hohe bzw. zu geringe Wärmeableitung vermieden wird
- geeignetes Management
Zum Einhalten dieser Anforderungen müssen die Buchten so gestaltet werden, dass die Tiere die einzelnen Funktionsbereiche (Liegen, Koten, Fressen, Wasseraufnahme, Aktivität und Beschäftigung) klar erkennen und voneinander trennen können. Dabei spielen Gruppen- bzw. Buchtengröße, Positionierung und Gestaltung der einzelnen Elemente, sowie Umweltfaktoren wie Temperatur und Licht eine große Rolle.
Bei der Planung von Neubauten können diese Anforderungen gezielt berücksichtigt werden. Beispielsweise lassen sich Außenklimaställe aufgrund der Außenklimareize leichter strukturieren. Ebenso können Funktionsbereiche in großen Buchten ab einer Tierzahl von ca. 40 Tieren räumlich sowie optisch deutlicher voneinander abgegrenzt werden. Bietet man den Schweinen erheblich mehr Platz an, so danken sie es gegen Ende der jeweiligen Phase. Zu Beginn kann der übermäßige Platz jedoch zur Verschmutzung einzelner Bereiche führen, die für das Abkoten nicht vorgesehen sind. Doch wie kann nun eine gute Strukturierung auch in konventionellen, zwangsbelüfteten Ställen mit kleinen und mittelgroßen Gruppen funktionieren?
Die LSZ Boxberg beschäftigt sich derzeit in Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim, dem Deutschen Tierschutzbund e.V., dem Friedrich-Loeffler-Institut, dem Deutschen Tierschutzbund und der VION GmbH in einem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Verbundprojekt „Projekt Label-Fit: Schweinhaltung fit für das Tierschutz-Label: Integration von Haltungs- und Verfahrenstechnik zur Transformation konventioneller Ställe“ mit diesem Thema. Mit folgenden Ansätzen wurden bisher gute Erfahrungen gemacht.
Damit die Funktionsbereiche von den Tieren angenommen werden, empfehlen sich kurze Wege. Rechteckige Buchten mit einer langen und kurzen Seite sind quadratischen Buchten vorzuziehen. Als Orientierungswert für die Bucht gilt: die lange Seite mindestens zweimal so lang, besser dreimal so lang, wie die kurze Seite.
Aufzuchtferkel und Mastläufer verändern innerhalb kürzester Zeit Körpergröße, Gewicht und eigene Bedürfnisse. Dieses muss bei der Gestaltung der Buchten beachtet werden. Um den Kot-/ Aktivitäts-/ Fressbereich und die Wasserstellen erreichen zu können, sollten grundsätzlich die Funktionsbereiche so eingeteilt werden, dass der Liegebereich nicht durchquert werden muss. Daher ist es sinnvoll, die Bucht symmetrisch anzuordnen. Im Fokus steht der Liegebereich, der an der langen Seite der Bucht wandständig mittig angelegt ist. Links und rechts davon schließt sich der Kotbereich an. Die Futterstelle befindet sich je nach Platzverhältnissen und Futtertrog gegenüber dem Liegebereich oder mittig der Bucht. Unnötige Ecken, z.B. durch Trennwände, sind für die Sauberkeit bis zu einer Gruppengröße von ca. 40 Tieren nach Möglichkeit zu vermeiden. In größeren Gruppen ab ca. 40 Tiere bieten sie jedoch einzelnen Tieren Schutz und Rückzugsmöglichkeiten, um dem natürlichen Konkurrenzverhalten aus dem Weg zu gehen.
Der Liegebereich ist so zu gestalten, dass alle Tiere gleichzeitig und ungestört liegen können. Damit dies für alle Tiere bis zum Ende der Phase möglich ist, sollte für den gesamten Liegebereich für Aufzuchtferkel 0,2 m² und für Mastschweine 0,6 m² eingeplant werden. In der Aufzucht tragen beheizbare Abdeckungen, bzw. eine beheizbare Fläche unter einer Abdeckung zur Strukturierung bei. Neben der Wärmequelle bieten sie den Absetzferkeln Schutz und eine Rückzugsmöglichkeit. Als Erfahrungswerte für das Platzangebot unter der Abdeckung gelten: 0,13 m² je Aufzuchtferkel, 1 m tief und 0,7 m hoch. Grundsätzlich sollten Abdeckungen einseitig, an der langen Buchtenseite wandständig angebracht werden. Lamellen, die nicht auf den Boden reichen, halten einerseits die Temperaturen unter der Abdeckung, sorgen aber dennoch für genügend Luftaustausch. Zudem sollten die Abdeckungen klappbar sein, um eine einfache Tierkontrolle und Reinigung zu ermöglichen. Eine regelmäßige Kontrolle der Temperaturen und des Liegeverhaltens ist unabdingbar um zu hohe Temperaturen und demnach die Gefahr der Verschmutzung zu vermeiden. Die Temperaturzielgröße im Mikroklimabereich liegt je nach Aufzuchtwoche bei 27 °C bis 22 °C. Die Vorlauftemperaturen müssen täglich kontrolliert und den Bedürfnissen der Tiere angepasst werden. Auf eine weitere Heizung im Abteil kann auch im Winter verzichtet werden.
In der Schweinmast kann ebenso eine Fußbodenheizung im Liegebereich eingesetzt werden. Eine zusätzliche Abdeckung ist dann jedoch nicht nötig. Eine andere Möglichkeit, vor allem in den kühleren bis kalten Monaten, ist den Mastschweinen eine nicht beheizbare Abdeckung anzubieten. Auch unter ihr sollte genügend Platz zur Verfügung stehen (mind. 0,2 m2 / Tier). Lamellen an der Abdeckung sollten auch in der Mast nicht bis zum Boden reichen. Bei beiden Möglichkeiten kann die Solltemperatur im Abteil im Vergleich zu üblichen Temperaturkurven um 3 - 5 °C abgesenkt werden.
Gekühlte Flächen beeinflussen das Liegeverhalten und tragen zudem zum Tierwohl bei. Das Liegeverhalten 5 Wochen nach der Aufzucht bei einer Abteiltemperatur von 27 °C ist in der folgenden Abbildung zu sehen. In der linken Bucht ist eine Bodenkühlung unter der Abdeckung in Betrieb (Vorlauftemperatur 22°C), während es auf der rechten Seite keine Bodenkühlung gibt. In der Mast reichen Vorlauftemperaturen in einer Fußbodenkühlung von 18 °C bis 20 °C bereits aus, um überschüssige Wärme der Schweine beim Liegen aufzunehmen und abzutransportieren.
Der Kotbereich sollte ausreichend breit sein (Aufzucht mindestens 1 m, Mast mindestens 1,5 m) und sich über die gesamte Tiefe der
Bucht erstrecken. Bei schmaleren Kotbereichen besteht die Gefahr, dass die Tiere den Kot mit den Füßen in den Liegebereich
ziehen. Weiterhin kann der Kotbereich optisch durch ein anderes Material abgegrenzt werden. Beispielsweise bieten Dreikantroste mit
ausreichender Auftrittsbreite und rutschfester Oberfläche (wellenförmig) den Schweinen einen trittsicheren Untergrund. Aufgrund
des erhöhten Schlitzanteils wird der Kot gut durchgetreten und verschwindet im Kanal.
Ein Sicht- oder Kontaktgitter im Kotbereich zur Nachbarbucht fördert das Abkoten in diesem Bereich zusätzlich. Eine Mikrosuhle
oder Schweinedusche bringt Abkühlung, befeuchtet gleichzeitig den Kotbereich und grenzt ihn vom trockenen Liegebereich ab. Bereiche an
den Außenwänden des Stalls werden vermutlich aufgrund des Temperaturunterschieds häufiger zum Koten angenommen. Daher sollte
dort kein Liegebereich (oder Fressbereich) angedacht werden.
Die Platzierung des Troges hängt von der Futterdarreichungsform und der Bodengestaltung ab. Trockenfutterautomaten können mittig in der Bucht, auch auf einer Festfläche, integriert werden. Brei- oder Nassfütterungen sind nur auf Flächen, auf denen der Ablauf von Flüssigkeit gewährleistet werden kann, zu empfehlen. Der Kontakt zum Wasser während des Fressens animiert die Schweine zum Urinieren. Bei heißen Temperaturen versuchen sich die Tiere mit Wasser oder auch mit nassen Futter abzukühlen. Bewährt hat sich hier eine seitliche Platzierung des Futtertroges. Die seitliche Platzierung öffnet jedoch den Liegebereich zu einer großen, offenen Fläche, die den Ferkeln eine Strukturierung und die Annhame diese Bereiches zum Ruhen erschwert. Hier empfiehlt sich zusätzlich den Ferkeln nach dem Einstallen eine Abdeckung und damit eine Rückzugsmöglichkeit anzubieten.
Ausreichend Wasserstellen, mehr als die gesetzlichen Mindestvorgaben, werden von den Tieren auf jeden Fall gerne angenommen.
Diese müssen so angeordnet werden, dass sie nicht verschmutzen und für alle Schweine zu jeder Zeit gut zu erreichen sind.
Tränkeinseln mit Beckentränken, die vorzugsweise links und rechts an der Grenze zur Liegefläche positioniert werden, haben
sich bewährt. Wandständige Beckentränken im Kotbereich werden zu oft verschmutzt. Zusätzlich können dort
Beißnippel angeboten werden. Tränken mit offener Wasserfläche (Aqualevel) führen zu einer höheren Wasseraufnahme.
Hier muss allerdings stets die Sauberkeit und Hygiene im Blick gehalten werden.
Der Ort des Beschäftigens bzw. der Aktivität muss gut ausgewählt werden. Hier empfehlen sich Bereiche, die als Laufwege dienen und in denen kein Ruhen stattfindet. Zum Wühlen eignen sich Wühltürme in denen organisches Beschäftigungsmaterial angeboten wird und sich die Schweine frisches Material „erarbeiten“ müssen. Von der Decke herunter hängende Seile, Weichhölzer und Heukörbe sind von mehreren Tieren gleichzeitig gut erreichbar. Eine Platzierung im Kotbereich verringert die Akzeptanz des angebotenen Beschäftigungsmaterials. Beschäftigungsautomaten niemals in Buchtenabtrennungen stellen, da dort das Verschmutzungsrisiko wegen dem Revierverhalten zu groß ist.
Je nach Funktionsbereich können unterschiedliche Bodenelemente genutzt werden. Dies erleichtert den Tieren die einzelnen Bereiche zu unterscheiden. Auf alle Fälle müssen die Materialen rutschfest und trittsicher sein, dürfen nicht zu Gelenks- oder Klauenverletzungen führen und sollten dem Bereich entsprechend unterschiedliche Perforationsgrade aufweisen. Bei Untersuchungen der LSZ Boxberg haben sich beheizbare/kühlbare Betonelemente als planbefestigte Bodenelemente im Liegebereich bewährt. Hier kann nach Bedarf auch mit Minimaleinstreu gearbeitet werden. Dreikantroste im Kotbereich tragen zur Sauberkeit in der Aufzucht, wie auch in der Mast bei.
Schweine orientieren sich an unterschiedlichen Lichtverhältnissen. So bevorzugen sie beispielsweise als Kotplatz hellere Bereiche,
zum Ruhen und Schlafen weniger lichtintensive Zonen. Durch das Anbringen von Lichtspots im gewünschten Kotbereich kann die Annahme des
Kotbereiches unterstützt werden.
Zur Vermeidung von punktueller Hitzebildung sollte zwingend eine direkte Sonneneinstrahlung im Abteil vermieden werden. Eine Beschattung
der Fenster kann z.B. durch Jalousien oder eine Bepflanzung gewährleistet werden.
Die Tiere legen in den ersten Stunden nach dem Einstallen ihre Funktionsbereiche fest. Daher spielt nicht nur die Gestaltung der Bucht
eine große Rolle für die Funktionalität der Funktionsbereiche. Der Tierbetreuer und das Management haben einen nicht
unerheblichen Einfluss auf die Annahme der einzelnen Funktionsbereiche. Hierbei muss bereits beim Einstallen alles stimmen! Eine
Erinnerungshilfe für sich selbst und die Mitarbeiter hilft den Stall optimal vorzubereiten.
In den ersten Tagen nach dem Einstallen kann durch Abtrag des Kotes bzw. Neueinstreu und Trocknung falsch angelegter Bereiche noch ein
wenig nachgeholfen werden.
Da einzelne Umbaumaßnahmen zwar funktional aber auch sehr kostspielig sein können, sollte der Betrieb konkrete Zukunftspläne haben. Diese sollten Überlegungen zu langfristigen Vermarktungsstrategien beinhalten. Wird ein Label für mehr Tierwohl angestrebt oder möchte man vorerst lediglich die Vorgaben der Tierschutznutztierhaltungsverordnung einhalten und setzt nur auf erforderliche Optimierungsmaßnahmen, um dem Schwanzbeißen vorzubeugen? Es bietet sich an, erste Erfahrungen und Optimierungen in einer Bucht zu erproben, denn, allgemeingültige Empfehlung zur Strukturierung der Bucht gibt es nicht. Betriebsindividuelle Gegebenheiten müssen betrachtet, bewertet und das Verhalten der Tiere beobachtet werden, um wiederum betriebsindividuelle Optimierungsmaßnahmen zu finden und zu realisieren. Jedoch können bereits kleinere Veränderungen die Akzeptanz der Funktionsbereiche erhöhen.