Beschäftigung
Warum ist Beschäftigung wichtig?
Schweine haben ein sehr ausgeprägtes Erkundungsverhalten. Dabei untersuchen sie ihre Umgebung durch intensives Riechen und Bewühlen mit dem Rüssel. Kann das angeborene Erkundungsverhalten nicht oder nur in geringem Maße durchgeführt werden, führt das zu Frust bei den Tieren. Eine Folge davon können Verhaltensstörungen sein, wie Schwanzbeißen oder Anbeißen der Ohren von Artgenossen.
Projekt LABEL-FIT
Wie kann organisches Beschäftigungsmaterial für Schweine so interessant gestaltet werden, dass die Schwänze und Ohren der Artgenossen heil bleiben? Mit dieser Frage beschäftigt sich unter anderem ein Teilprojekt des Verbundprojektes LABEL-FIT - „Schweinehaltung fit für das Tierschutz-Label: Integrierte Entwicklung von Haltungs- und Verfahrenstechnik zur Transformation konventioneller Ställe“. An dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Verbundprojekt sind das Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg (LSZ), die Universität Hohenheim (Verfahrenstechnik der Tierhaltungssysteme), das Friedrich-Loeffler-Institut (Institut für Tierschutz und Tierhaltung), der Deutsche Tierschutzbund e.V. und die VION GmbH beteiligt. In insgesamt fünf Teilprojekten wird untersucht, wie konventionelle Schweineställe im Hinblick auf Buchtenstruktur, Beschäftigungsmaterial und Entmistung funktionssicher umgestaltet werden können. Im Teilprojekt zum Beschäftigungsmaterial werden in der Ferkelaufzucht und Schweinemast verschiedene organische Materialien getestet, die sich in Struktur, Zusammensetzung, Geschmack und Angebotshäufigkeit unterscheiden.
Organisches Beschäftigungsmaterial für mehr Tierwohl
Gemäß der Richtlinie 2008/120/EG über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen müssen Schweine „ständig Zugang zu ausreichenden Mengen an Materialien haben, die sie untersuchen und bewegen können“. Organische Beschäftigungsmaterialien besitzen die in der EU-Richtlinie 2008/120/EG vorgeschriebenen Eigenschaften „essbar, kaubar, untersuchbar, beweg- und bearbeitbar“, wodurch sie nachweislich das Risiko für Schwanzbeißen senken.
Beispiele für organische Beschäftigungsmaterialien sind im Folgenden aufgeführt:
- (1) Als Minimalausstattung sollten die Buchten z.B. mit Hanf-/Baumwollseilen oder Beißhölzern (z.B. aus Kiefern- oder Fichtenholz) ausgestattet sein.
- (2) Weiter optimieren lassen sich Buchten durch das Anbringen von Raufen, die mit Raufutter, wie Stroh, Heu oder Silage befüllt werden können.
- (3) Durch das Anlegen eines abgegrenzten Beschäftigungsbereiches kann den Schweinen organisches Material zum Wühlen zur Verfügung gestellt werden, es fällt nicht direkt durch die Spalten in den Güllekanal. Hierfür können Wühl- oder Futterautomaten verwendet werden.
- (4-7) Der Wechsel des organischen Basismaterials und das Mischen mit fressbaren Zusätzen steigert das Interesse am organischen Beschäftigungsmaterial.
Wichtig ist beim Angebot von organischem Beschäftigungsmaterial, dass den Tieren Abwechslung geboten wird, was das Interesse und somit den Anreiz zur Erkundung aufrechterhält.
Organisches Beschäftigungsmaterial – attraktiv und güllekompatibel
Auf vielen Betrieben steht Getreidestroh oder Heu aus der Eigenproduktion zur Verfügung, was von den Schweinen sehr gut angenommen wird. Eine Gewöhnung an das Material und somit die Abnahme am Interesse daran kann verhindert werden, indem fressbare Zusätze, wie Maiskörner oder Quetschhafer beigemischt werden. Auf organische Beschäftigungsmaterialien, wie Stroh oder Heu, wird in konventionellen Ställen mit Spaltenböden häufig verzichtet, da Probleme im Güllesystem befürchtet werden. Als besonders güllekompatibel haben sich Stroh und Heu in gehäckselter Form sowie Stroh-, Heu- und Luzernepellets erwiesen. Pellets besitzen die Eigenschaft, dass sie die Spalten nicht verstopfen, in der Gülle leicht zerfallen und hauptsächlich die Sinkschicht bilden. Weitere Vorteile von Pellets sind, dass sie von den Tieren sehr gut angenommen werden und durch Rohrleitungen automatisiert in die Buchten eingebracht werden können. Zusätzlich wird durch das Erhitzen während des Pelletiervorgangs die Keimdichte des Ausgangsmaterials reduziert.
Organisches Beschäftigungsmaterial – was gibt es zu beachten?
Die folgenden vier Punkte sollten im Hinblick auf das Angebot an organischen Beschäftigungsmaterialien beachtet werden.
Das Beschäftigungsmaterial sollte in einer für die Tiere gut erreichbaren Position angebracht werden. Zu beachten ist dabei, dass mehreren Tieren gleichzeitig Zugang zu den Materialien geboten wird, es empfiehlt sich dabei der Abstand von einer Schweinelänge zwischen den angebotenen Objekten. Dadurch lässt sich Dominanz- und Konkurrenzverhalten, ein zusätzlicher Risikofaktor für Schwanzbeißen, vermeiden. Außerdem sollte der Beschäftigungsbereich nicht in der Nähe des Kotbereichs angelegt werden, da er hier von den Tieren nur schlecht angenommen wird.
Neue Beschäftigungsmaterialien sind für Schweine interessanter und werden stärker erkundet als Materialien, an die sich die Tere bereits gewöhnt haben. Ein Austausch der Materialien ist besonders dann empfehlenswert, wenn es sich um wenig veränderbare Materialien (z.B. Beißhölzer) handelt.
Um herauszufinden ob das angebotene organische Beschäftigungsmaterial für die Tiere geeignet ist, muss beobachtet werden, wie diese sich damit auseinandersetzen. Hierzu können folgende Fragen abgearbeitet werden: Wie viele Tiere beschäftigen sich mit dem Material? Wie lange beschäftigen sich die Tiere mit dem Material? Wie häufig muss das Material ersetzt oder nachgefüllt werden? Diese Fragen und Beobachtungen geben Aufschluss über das Interesse und die Vorlieben der Tiere. Tierbeobachtungen sind bei der Auswahl von geeigneten Beschäftigungsmaterialien und zum Erkennen von Tiersignalen unumgänglich. So sind herunterhängende und eingezogene Schwänze ein Alarmzeichen für den Tierhalter und ein Hinweis für gegenseitige Manipulationen der Schweine.
Bei Anzeichen für Schwanzverletzungen muss umgehend mit Notfallmaßnahmen reagiert werden. Wird Schwanzbeißen in einem frühen Stadium erkannt, ist das Herausnehmen des Täter-Tieres die beste Möglichkeit weiteren Manipulationen vorzubeugen. Kann der Täter nicht identifiziert werden, sollten die Tiere mit Beschäftigungsmaterial abgelenkt werden. Die Erfahrung zeigt gute Erfolge bei dem Einsatz von Papiersäcken, Wühlerde, Zeolith (Alumosilicate) oder anderen neuartigen, bekau- und bewühlbaren Materialien als Sofortmaßnahme. Es sollte daher immer eine Alternative zum dauerhaft angebotenen Beschäftigungsmaterial bereitstehen, die für eine sofortige Ablenkung und Beschäftigung der Tiere sorgt.