Aktionsplan Kupierverzicht
Schlüsselfaktor "Temperatur, Luftqualität und Licht"
Die Ursachen für Schwanzbeißen sind vielfältig. Selten lässt sich ein einzelner Auslöser für das Auftreten von Schwanzbeißen identifizieren. Im Rahmen des Aktionsplans Kupierverzicht wurden 6 Schlüsselfaktoren in den Fokus gerückt. Einer dieser Faktoren ist „Temperatur, Luftqualität und Licht“. Die Fehler im Bereich der Stallklimatisierung werden oft unterschätzt oder übersehen, obwohl sich diese entscheidend auf das Verhalten, die Gesundheit und somit auch das Wohlbefinden und das Leistungsvermögen der Tiere auswirken können. Im Folgenden wird auf die wichtigsten Parameter des Stallklimas, Möglichkeiten zur Reduzierung von Hitzestress, die Luftqualität sowie Beleuchtung und Beschattung eingegangen.
Da Schweine keine Schweißdrüsen besitzen, können sie nicht schwitzen. Deshalb geben sie zum einen über das Hecheln überflüssige Wärme ab und zum anderen wird die Wärme über Körperkontakt zu kühleren Oberflächen abgegeben. Die Hitzetoleranz von Schweinen ist daher eingeschränkt und sie können deshalb schnell in Hitzestress geraten. Da Schweine die Symptome für Hitzestress nur sehr verhalten zeigen, wird der Hitzestress oft unterschätzt. Das kann für die Tiere gefährlich werden, da Stress nicht nur zu Leistungseinbußen, sondern auch zu Kreislaufproblemen bis hin zu Herzversagen führen kann. Bereits Temperaturen ab 22°C können bei Mastschweinen zu einer Erhöhung der Atemfrequenz führen und ab 25°C kann die Futteraufnahme zurückgehen. Die Kältestresstoleranz ist bei Schweinen besser ausgeprägt als die Hitzestresstoleranz. Ab wann die Tiere in Hitze-/Kältestress geraten, ist abhängig vom Alter und Gewicht der Tiere, variiert also im Laufe der Entwicklung. Mit steigendem Gewicht der Tiere sinkt deren Optimaltemperatur (Tabelle 1 & Abbildung 1). Wie schnell es zu Hitzestress kommt, hängt allerdings nicht nur von der Temperatur, sondern auch von der Luftfeuchtigkeit ab. Je höher die Luftfeuchtigkeit ist, desto schneller geraten die Tiere in Hitzestress. Je feuchter die Luft ist, desto schwieriger wird es für die Schweine, überschüssige Wärme über das Hecheln abzugeben. Die Luftfeuchtigkeit sollte im Sommer zwischen 60 und maximal 80 Prozent liegen. Ab einer Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent besteht kaum noch die Möglichkeit, überschüssige Wärme über das Hecheln abzugeben.
Tabelle 1: Optimaltemperatur für Schweine verschiedener Altersklassen
Abbildung 1: Temperaturansprüche von Schweinen
Nicht nur hohe Temperaturen können sich negativ auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Schweinen auswirken, sondern auch zu niedrige Temperaturen. Je kleiner/leichter die Tiere sind, desto empfindlicher sind sie hinsichtlich Kälte und auch Zugluft. Um unerwünschte Zugluft zu vermeiden, sollte die Luftgeschwindigkeit nicht über 0,2 m/sec liegen. Im Sommer kann die Luftgeschwindigkeit aber auf bis zu 0,6 m/sec erhöht werden. Gerade im Liegebereich müssen diese Werte eingehalten werden, um den Tieren ein entspanntes Ruhen zu ermöglichen. Zuglufterscheinungen können hier auch dazu führen, dass die Tiere den Liegebereich nicht als solchen annehmen und ihn beispielsweise zum Koten nutzen. Wie die Schweine bei der Einteilung ihrer Funktionsbereiche unterstützt werden können, kann im Artikel zum Risikofaktor „Struktur und Sauberkeit der Bucht“ nachgelesen werden.
Unterstützung des Thermoregulationsverhaltens der Schweine:
Kaum ein Stallsystem kommt mittlerweile ohne Kühlsystem aus, welches den Hitzestress in der warmen Jahreszeit möglichst geringhalten soll. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung schreibt in Paragraph 22 Absatz 2 Nr. 4 folgendes vor: „Haltungseinrichtungen müssen so beschaffen sein, dass eine geeignete Vorrichtung vorhanden ist, die eine Verminderung der Wärmebelastung der Schweine bei hohen Stalllufttemperaturen ermöglicht“. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten die Wärmebelastung zu reduzieren. Allerdings ist nicht jedes Kühlsystem für jeden Stall beziehungsweise jedes Stallsystem geeignet, deshalb gibt es nicht „das perfekte Kühlsystem“. Für jeden Stall beziehungsweise jedes Haltungssystem sollte individuell entschieden werden, welche Kühlmöglichkeiten am besten geeignet sind. Diese Entscheidung hängt auch davon ab, ob das Kühlsystem in einem bestehenden Stall nachgerüstet oder in einen Neubau integriert werden soll. Viele Kühlmöglichkeiten können nachgerüstet werden, allerdings gibt es auch Systeme, welche nur im Neubau verwirklicht werden können. Teilweise bietet es sich auch an, verschiedene Kühlsysteme miteinander zu kombinieren.
Zwangsbelüftete Ställe:
Für zwangsbelüftete Ställe bieten sich unterschiedliche Kühlsysteme an. Hierzu zählen unter anderem die Unterflurzuluft, die Hoch- oder Niederdruckbefeuchtung und das Kühlpad. Da der Luftaustausch begrenzt ist, muss beim Einsatz von Wasser zur Kühlung die Luftfeuchtigkeit (max. 80 %) im Blick behalten werden.
Die Unterflurzuluft (Abbildungen 2-5) kann nicht nachgerüstet werden und ist im Bau teurer als ein Stall ohne Unterflurzuluft. Allerdings hat dieses System eine gute Kühlwirkung und erzeugt - ohne den Einbau weiterer Kühlmechanismen - keine weiteren laufenden Kosten. Versuche an der LSZ Boxberg haben gezeigt, dass bei hohen Außentemperaturen die Temperatur im Abteil 5,4°C kühler war als die Außentemperatur, während die Temperatur im Referenzabteil ohne Kühlung nur 2°C kühler war. Die warme Außenluft wird durch den sich nur sehr langsam erwärmenden Betonunterbau merklich abgekühlt. Zusätzlich kann dieses System noch mit anderen Kühlmöglichkeiten wie der Hoch- oder Niederdruckbefeuchtung in den Abteilen, einer Sprühkühlung direkt im Unterflurzuluftkanal (Abbildung 4) oder der Flutung des Unterflurzuluftkanals (Abbildung 5) kombiniert werden, um einen besseren Kühleffekt zu erzielen. Im Winter kann der Unterflurzuluftkanal genutzt werden, um die Luft beispielsweise mit Heizplatten (Abbildung 3) etwas anzuwärmen, bevor sie ins Abteil geleitet wird.
Abbildung 2: Zugang zum Unterflurzuluftkanal Abbildung 3: Unterflurzuluftkanal mit Heizplatten
Abb. 4: Düse einer Sprühkühlung im Unterflurzuluftkanal Abb. 5: Gefluteter Unterflurzuluftkanal
Ein weiteres System ist die Hochdruckbefeuchtung. Diese hat in Versuchen an der LSZ Boxberg die Luft im Abteil im Vergleich zur Außentemperatur um etwas mehr als 3°C abgekühlt. Benötigt werden für die Hochdruckbefeuchtung eine Pumpe, Wasserfilter, die Steuerung (Abbildung 6) sowie Leitungen und Düsen. Die Filter müssen hier meist regelmäßig getauscht werden, da sonst die feinen Öffnungen der Düsen verstopfen und somit kein Wasser mehr versprühen. Diese Technik ist im Vergleich zu Niederdrucksystemen meist teurer und muss regelmäßig gewartet werden. Abgesehen von der Wartung sind diese Anlagen meist automatisiert und schalten sich je nach Bedarf automatisch ein und aus. Da das Wasser sehr fein verstäubt wird, verdunstet es, bevor es auf den Tieren oder dem Boden ankommt, weshalb der Boden und somit der Liegebereich in der Regel trocken bleiben.
Abbildung 6: Technische Komponenten der
Hochdruckbefeuchtung
Niederdrucksysteme (Abbildung 13) sind recht einfach nachzurüsten und sind in der Anschaffung und im Unterhalt meist günstiger
als die Hochdruckbefeuchtung. Teilweise wird hier auch einfach die Einweichanlage genutzt, welche in den meisten Ställen ohnehin
vorhanden ist. Dabei wird aber oftmals die ganze Bucht feucht, was sich negativ auf die Einteilung der Funktionsbereiche auswirkt. Vor
allem in Ställen mit Teilspalten oder Festflächen ist der Einsatz der Einweichanlage zur Kühlung nicht empfehlenswert.
Allerdings gibt es auch Kombidüsen, die dann sowohl zum Einweichen als auch zum Kühlen genutzt werden können (Abbildung 7).
Diese Düsen arbeiten in der Regel mit weniger Wasser als die Einweichanlage und befeuchten meist auch nicht das komplette Abteil. Es
bietet sich auch der Einsatz von Mikrosuhlen an, diese lassen sich in die meisten bestehenden Ställe integrieren. Hierbei tropft aus
einer Düse Wasser und befeuchtet so einen begrenzten Bereich des Bodens. Diesen Bereich nutzen die Tiere dann um sich durch Suhlen
abzukühlen. Im Sommer verspritzen Schweine oft Wasser aus den Tränkenippeln oder Beckentränken um sich darin zu suhlen. Beim
Einsatz von Mikrosuhlen kann die Suhle gezielt in der Bucht platziert werden. Dadurch können sich Tiere suhlen, ohne dabei anderen
Tieren den Zugang zum Tränkewasser zu versperren. Mit entsprechender Technik gekoppelt, kann das Ein- und Ausschalten
temperaturgesteuert automatisiert werden. Diese Technik zur Automatisierung der Kühlsysteme kann mit den meisten Kühlsystemen
gekoppelt werden und erspart somit die Zeit für das manuelle Ein- und Ausschalten der Kühlsysteme. Auch das Programmieren von
Intervallen ist bei den Regelsystemen oftmals möglich.
Abb. 7: Kombidüse (Einweich- und Kühlanlage)
Eine weitere Möglichkeit, die Zuluft in zwangsbelüfteten Ställen zu kühlen, ist der Einsatz eines Kühlpads (Abbildung 8) oder Kühlturmes. Hierbei wird die Zuluft durch die Kühlrippen, welche permanent mit Wasser berieselt werden, hindurchgezogen. Diese Kühlrippen bestehen bei einem Kühlpad meist aus Waben aus Kunststoff oder Karton (Abbildung 9), bei Kühltürmen sind es meist Porotonsteine. Deren Oberflächen werden permanent feucht gehalten. Die Luft wird beim Durchstreifen der Kühlelemente durch das verdunstende Wasser abgekühlt. Hierdurch konnte eine Abkühlung der Luft im Vergleich zur Außentemperatur um bis zu 7°C erreicht werden.
Abb. 8: Kühlpad an einem Maststall
Abb. 9: Innenansicht auf die
Kühlwaben eines Kühlpads
Die Abbildungen 10 bis 12 zeigen Auszüge aus der Dissertation von Pertagnol[1] (2013). Es ist deutlich zu sehen, wie sich die verschiedenen Kühlsysteme auf die Abteiltemperaturen auswirken. Bei der Kühlleistung schnitt das Kühlpad am besten ab, die Luftfeuchtigkeit war in diesem Abteil aber am höchsten, lag aber immer noch unter der kritischen Grenze von 80 %. Keines der Kühlsysteme hat bei diesen hohen Außentemperaturen die Grenze von 80% Luftfeuchtigkeit überschritten. Im Referenzabteil ohne Kühlmechanismen war die Luftfeuchtigkeit allerdings teilweise zu niedrig.
Abb. 10: Verläufe der Abteiltemperaturen der verschiedenen Kühlsysteme der LSZ Boxberg am 19.08.2012
Abb. 11: Kühleffekt der verschiedenen Kühlsysteme am 19.08.2012
Abb. 12: Relative Luftfeuchte der verschiedenen Kühlsysteme am 19.08.2012
Freibelüftete Ställe:
In freibelüfteten Außenklimaställen machen die meisten Kühlsysteme der zwangsbelüfteten Ställe weniger Sinn, da sich die Lufteintrittsfläche in der Regel über die komplette Länge des Stalles erstreckt und die Zuluft nicht nur über eine begrenzte Zuluftfläche in den Stall gelangt. Daher ist es nicht zielführend, die Zuluft zu kühlen. Da die Luftraten in der Regel höher sind als in zwangsbelüfteten Ställen, kann mehr Wasser zur Kühlung eingesetzt werden. Die Gefahr, dass die Luftfeuchtigkeit zu hoch wird, ist deutlich geringer als in zwangsbelüfteten Ställen. Deswegen bieten sich hier vor allem Mikrosuhlen oder auch Sprinkleranlagen und Duschen (Abbildung 13 & Abbildung 14) im Stall oder falls vorhanden im Auslauf an. Im Neubau lassen sich auch richtige Suhlen (Vertiefungen im Boden mit Ablauf) verwirklichen, in welche sich die Schweine dann zur Abkühlung hineinlegen können (Abbildung 15). In diesen Suhlen kann dann bei hohen Temperaturen das Wasser angestaut werden. Dieses Wasser muss aber regelmäßig ausgetauscht werden, da sich Keime hier rasch vermehren. Diese angestauten Suhlen bieten sich eher in Ausläufen an, im Stallinnern eignen sich Mikrosuhlen besser. Für Ställe mit Auslauf sollte dieser für die Sommermonate beschattet sein, da sonst erhöhte Sonnenbrandgefahr besteht.
Abb. 13: Niederdruckbefeuchtung eines Auslaufs Abb. 14: Düse einer Niederdruckbefeuchtung
Abb. 15: Suhle des Wartestalls (Alternative Haltung) der LSZ Boxberg
Eine weitere Möglichkeit kann die Bodenkühlung (/-Heizung) sein, diese kann in fast allen Haltungssystemen eingesetzt werden. Im Artikel zum Schlüsselfaktor „Struktur und Sauberkeit der Bucht“ wurde die Bodenkühlung vorgestellt. Mit dieser Technik können in zwangs- und freibelüfteten Ställen die Liegeflächen gekühlt beziehungsweise im Winter beheizt werden. Dabei können entweder Fertigelemente (Abbildung 16 & Abbildung 17) genutzt werden oder die Leitungen werden direkt im Boden verlegt (Abbildung 18), wie man es von der Fußbodenheizung in Wohnhäusern kennt. Diese können nicht nur im Boden sondern beispielsweise auch in den Wänden von Ferkelnestern (Abbildung 18 & Abbildung 19) verlegt werden. Durch die Fußbodenheizung kann im Winter die Abteiltemperatur in zwangsbelüfteten Ställen insgesamt etwas niedriger gefahren werden. Die Fußbodenkühlung ermöglicht es, im Sommer die Liegefläche attraktiv zu halten. Ein „Vertauschen“ der Funktionsbereiche Liegen und Koten kann so vermieden werden.
Abb. 16: Bodenelemente zum Heizen und Kühlen Abb. 17: Bodenelemente
zum Heizen und Kühlen
(Ansicht von unten)
Abb. 18: Verlegte Schläuche der Fußbodenheizung Abb. 19: Stall
mit Fußbodenheizung/-kühlung
/-kühlung im Abferkelstall
Die hier vorgestellten Kühlmöglichkeiten sind nicht abschließend. Es gibt noch weitere Optionen wie beispielsweise Erdwärmetauscher, die ebenfalls gute Kühlleistungen erzielen. Die Nachfrage nach Kühlsystemen steigt, darauf haben die Hersteller reagiert und haben ihre Systeme hinsichtlich Kühlleistung und teilweise auch (Energie-)Effizienz optimiert.
Wer seinen Schweinen mit dem Einsatz von Kühltechnik etwas Gutes tun möchte, sollte sich vorher informieren und überprüfen, welche Technik für den eigenen Stall die geeignetste ist. Hierbei sollte nicht nur die Kühlleistung, sondern auch die Anschaffungskosten und die laufenden Kosten betrachtet werden.
Bei allen denkbaren Möglichkeiten zur Kühlung der Tiere „von außen“ sollte die Kühlung der Tiere „von innen“ durch Tränkewasser nicht vernachlässigt werden. Den Tieren muss jederzeit Wasser in ausreichender Menge und guter Qualität zur Verfügung stehen.
Auch die Luftqualität spielt eine wichtige Rolle, nicht nur im Hinblick auf Schwanzbeißen sondern generell auch im Zusammenhang mit der Tiergesundheit und dem Tierwohl. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (§ 26 Absatz 3 TierSchNutztV) gibt hier die Werte in Tabelle 2 vor.
Tabelle 2: Gaskonzentration laut TierSchNutztV § 26 Abs. 3
Diese Werte dürfen im Tierbereich nicht überschritten werden. Wenn diese Konzentrationen in der Stallluft nicht überschritten sind, ist die Luftqualität meist in Ordnung. Werden diese Werte überschritten, sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Konzentrationen zu senken. Denkbar wäre beispielsweise der Einsatz von Ammoniak-Sensoren, welche an die Klimacomputer der Lüftungssteuerung angeschlossen werden und das Stallklima mitsteuern (Abbildung 21). Die Bildung der Schadgasemissionen kann zum Beispiel durch bauliche Maßnahmen zur Emissionsminderung oder Anpassung der Fütterung reduziert werden. Ein ausreichender Luftaustausch gewährleistet nicht nur den Abtransport von Schadgasen und Wasserdampf, sondern hilft auch, die Staubbelastung im Stall zu reduzieren.
Abb. 21: Ammoniaksensor
Abb. 20: Ammoniak-Messgerät im Stallabteil
zur Steuerung des Stallklimas
Probleme im Bereich Stallklima treten immer wieder auf, oftmals ist das Problem und somit auch die Lösung ohne das Hinzuziehen von (Mess-)Technik nicht zu identifizieren. Hierbei kommen dann meist neben Nebelmaschinen, Temperatur- und Luftgeschwindigkeitsmesser auch Schadgasmessgeräte (Abbildung 20) zum Einsatz. Zur Detektion von Problemen oder zur Überprüfung ob Probleme vorliegen, kann in Baden-Württemberg der Emissions- und Stallklimadienst vom jeweilig zuständigen Regierungspräsidium zu Rate gezogen werden. Häufig kann beispielsweise ein Ausnebeln des Abteils schon sehr aufschlussreich sein. Oft dringt durch unerkannte Öffnungen oder Undichtigkeiten Falschluft ein, welche dann die Lüftung des Abteils stören kann. Auch Zugluft oder Probleme bei der Zu- und Abluftführung können durch das Ausnebeln sichtbar gemacht werden. Verhältnismäßig kleine Maßnahmen können im Bereich Stallklima meist schon viel bewegen. Die Beratungsdienste oder der Schweinegesundheitsdienst können ebenfalls miteinbezogen werden. Jeder kann auch selbst tätig werden beispielsweise durch die Durchführung eines jährlichen Stallklimachecks. Diesen kann vom Tierhalter selbst durchgeführt werden oder - wie es von der Initiative Tierwohl verlangt wird - von einem externen Experten.
Rechtliche Grundlagen:
Alle Nutztierhalter müssen sicherstellen, dass die Beleuchtungsintensität und die Beleuchtungsdauer ausreichend die Bedürfnisse der jeweiligen Tierart befriedigen. Um beides sicherzustellen müssen mindestens 3 Prozent der Stallgrundfläche als Fensterfläche vorhanden sein (§ 22 Abs. 4 TierSchNutztV). Die Fensterflächen sollten nach Möglichkeit so angeordnet sein, dass das Licht gleichmäßig über den Aufenthaltsbereich der Schweine verteilt ist. Zusätzlich gilt: Wer Schweine in Ställen hält, in denen zu ihrer Pflege und Versorgung wegen eines zu geringen Lichteinfalls auch bei Tageslicht künstliche Beleuchtung erforderlich ist, muss den Stall täglich mindestens 8 h nach Maßgabe des Satzes 2 beleuchten. Das bedeutet, dass die Beleuchtung im Aufenthaltsbereich der Schweine eine Stärke von mindestens 80 Lux haben und dem Tagesrhythmus angeglichen sein (§ 26 Abs. 2 TierSchNutztV) muss. Abweichend davon reicht in klar abgegrenzten Liegebereichen der Schweine die Beleuchtung mit einer Stärke von mindestens 40 Lux aus. Wenn es draußen nicht hell genug ist bzw. die Fensterfläche nicht groß genug ist, muss tagsüber das Licht in den Abteilen angeschaltet werden. Um hier Probleme zu vermeiden, kann intelligente Technik eingesetzt werden. Hier können Helligkeitssensoren in Kombination mit Zeitschaltuhren dafür sorgen, dass tagsüber bei zu geringem Lichteinfall die Beleuchtung automatisch angeschaltet wird und nach einer voreingestellten Zeit beziehungsweise wenn es draußen hell genug ist, wieder ausgeschalten wird. Je nach eingesetzter Technik kann die Steuerung erkennen, wann die 80 Lux für einen Zeitraum von acht Stunden erfüllt sind und schaltet dann ebenfalls automatisch ab. Weitere Informationen zu Tageslicht und Beleuchtung können den Ausführungshinweisen zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung entnommen werden.
Beschattung:
Da Sonnenstrahlen gerade im Sommer einen erheblichen Wärmeeintrag bewirken können, sollte direkte Sonneneinstrahlung in den Aufenthaltsbereichen der Tiere vermieden werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Sonneneinstrahlung zu begrenzen. Bei der Stallplanung kann je nach Ausrichtung des Stalles ein größerer Dachüberstand schon ausreichen. Es gibt aber auch weitere Möglichkeiten, welche die Sonneneinstrahlung begrenzen und nachträglich noch angebracht werden können. Denkbar sind hier zum Beispiel Sonnenschutzrollos, welche nur bei Bedarf heruntergefahren werden (Abbildung 22). Solche Rollos sind auch für die Beschattung von Ausläufen geeignet (Abbildung 23), um die Sonnenbrandgefahr für die Schweine zu reduzieren. Auch die Verwendung von mattierten Scheiben oder der Einsatz von Holzpaneelen ( Abbildung 24) zur Reduzierung des direkten Sonnenlichteinfalls sind in der Regel möglich. Allerdings dürfen die Fensterflächen nicht durch Maschinen, wuchernde Bepflanzung in direkter Nähe zum Stall oder ähnliches versperrt werden.
Abb. 22: Beschattung durch Sonnenschutznetze (aufrollbar)
Abb. 23: Sonnenschutznetze zur Auslaufbeschattung (aufrollbar)
Abb. 24: Beschattung durch Holzpaneele
Ob das Stallklima optimal ist, lässt sich nicht allein über die Daten der Klimasteuerung feststellen. Auch ein Blick in das Abteil verrät, ob alles so, wie es eingestellt ist, auch passt. Am Verhalten und am Zustand der Tiere, den Tiersignalen, kann man sehr viel ablesen. Beim täglichen Rundgang sollten möglichst viele Sinne eingesetzt werden. Wie die Tiere in der Bucht liegen, kann Informationen über die Temperatur oder auch zugige Bereiche liefern. Auch die Ohren sollten immer eingesetzt werden, um zu hören ob es den Tieren gut geht. Husten die Tiere oder sind vermehrt Nieser zu hören, kann das ein Anzeichen dafür sein, dass das Stallklima nicht optimal ist. Es könnte zu kalt sein, die Luft zu trocken oder es zieht im Abteil. Das Liegeverhalten kann einen Aufschluss über das Temperaturempfinden der Tiere geben. Liegen Saugferkel in der typischen Haufenlage ist das ein klares Anzeichen, dass es zu kalt ist, dies kann auch noch in den ersten Wochen nach dem Absetzen der Fall sein. Spätestens wenn die Tiere ihre Funktionsbereiche „tauschen“ und aus dem Liegebereich der Kotbereich wird, ist davon auszugehen, dass es zu warm ist. Das lässt sich aber auch schon früher erkennen, durch vermehrte Bauchlage oder sobald die Tiere anfangen schmutziger zu werden. Da sie sich bei steigenden Temperaturen zu Beginn nur kurz suhlen um sich abzukühlen sind die Tiere schmutziger als üblich. Falls das aber nicht mehr zum Abkühlen ausreicht, liegen sie meist dauerhaft im Kotbereich.
Egal ob es zu warm/zu kalt ist oder ob es Zugluft im Abteil gibt, das Wohlbefinden der Tiere ist hierdurch immer beeinträchtigt. Ein beeinträchtigtes Wohlbefinden führt meist zu einer reduzierten Leistung zum Beispiel durch eine geringere Futteraufnahme und einem erhöhten Energiebedarf für die Thermoregulation. Nicht nur die Leistung der Tiere kann beeinträchtigt sein, das reduzierte Wohlbefinden kann sich auch im Verhalten der Tiere untereinander auswirken und beispielsweise zu Schwanzbeißen führen. Dadurch wird zumindest das Wohlbefinden der Opfertiere zusätzlich beeinträchtigt. Schwanzbeißen ist multifaktoriell, die genaue Ursache kann oft nicht eindeutig eingegrenzt werden. Das Stallklima ist aber einer der Schlüsselfaktoren, die sich auf das Schwanzbeißen auswirken können beziehungsweise es auslösen oder begünstigen. Um die Gefahr des Schwanzbeißens zu minimieren, sollte ein besonderes Augenmerk auf das Stallklima und die Tiersignale gelegt werden.
Grundsätzlich wird das Thema Stallklima immer mehr an Bedeutung gewinnen. Durch die steigenden Durchschnittstemperaturen und das häufigere Auftreten von Extremtemperaturen, werden die Anforderungen an die Stallklimatechnik steigen. Die Tag-Nacht-Schwankungen aber auch die Temperaturschwankungen vom einen auf den nächsten Tag dürften in Zukunft weiter zunehmen. Diese Schwankungen gilt es so gering wie möglich zu halten, da Schweine - ähnlich wie wir Menschen - immer etwas Zeit brauchen um sich an Temperaturumschwünge zu gewöhnen. Ein wichtiger Ansatzpunkt um das Schwanzbeißen dauerhaft zu reduzieren, ist die Optimierung des Stallklimas. Von Vorteil ist hierbei, dass oft mit kleinen Optimierungsmaßnahmen schon viel erreicht werden kann.